Langjährige Kunden der Stadtwerke dürfen nicht die Zeche für Strom-Schnäppchenjäger zahlen - Örtliche Grundversorger brauchen Rechts- und Planungssicherheit
„Es ist gut, dass die Bundespolitik die Brisanz der Lage erkannt hat und den örtlichen Grundversorgern die Rechts- und Planungssicherheit geben will, die sie dringend brauchen“, erklärt der mittelbadische Landtagsabgeordnete Tobias Wald (CDU). „Die Stadtwerke Bühl sind vor wenigen Wochen mit der bislang ungeklärten Problematik auf mich zugegangen und haben um politische Unterstützung gebeten. Darum habe ich einen entsprechenden Antrag gestellt, der letzte Woche fast zeitgleich mit dem Entwurf des dazu passenden Bundesgesetzes beantwortet wurde.“
Der Gesetzesentwurf gehe in die richtige Richtung, so Tobias Wald. Zukünftig sollen örtliche Grundversorger rechtssicher einen Bestandskundentarif und wenn notwendig einen höherpreisigen Neukunden-Tarif anbieten können, um die jeweils aktuellen Beschaffungskosten nur an die Neukunden weitergeben zu müssen.
Hintergrund ist, dass der rasante Preisanstieg von Strom und Gas nicht nur Verbrauchern und Unternehmen zu schaffen macht, sondern auch die Geschäftsmodelle der örtlichen Grundversorger und Stadtwerke in Schieflage geraten lässt.
„Das Problem ist, dass wegen der explodierenden Strompreise einige Energie-Discounter, also Billig-Stromanbieter mit kurzfristigen Geschäftsmodellen, ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben und von heute auf morgen eine große Anzahl von Menschen ohne Stromversorger da gestanden sind“, erklärt Tobias Wald MdL. „In einem solchen Fall wird einem nicht sofort der Strom abgedreht, sondern man wird automatisch vom örtlichen Grundversorger mit Strom oder Gas beliefert, in der Regel sind das die örtlichen Stadtwerke. Um das zu können, mussten die Stadtwerke aber plötzlich ungeplant und kurzfristig für die vielen Neukunden größere Energiemengen nachbestellen — zu den aktuell sehr teuren Preisen. Das führt zu der Frage: Wer zahlt die Rechnung für die überhöhten Preise, ausschließlich die von den Energie-Discountern fallengelassenen Neukunden? Oder werden die höheren Preise auf alle Kunden umgelegt, also auch auf die treuen Bestandskunden der örtlichen Grundversorger? Vor diesem Hintergrund brauchen die Stadtwerke und die örtlichen Grundversorger Rechts- und Planungssicherheit, denn ihre Geschäftsmodelle basieren auf vorausschauenden und mittelfristigen Beschaffungsstrategien. Sie und ihre Kunden dürfen nicht die Leidtragenden der kurzfristigen und risikobasierten Geschäftsmodelle von Energie-Discountern sein.“
Der Gesetzesentwurf sieht auch vor, die Einstellung der Energiebelieferung künftig mindestens drei Monate im Voraus ankündigen zu müssen. Zudem soll die Bundesnetzagentur zusätzliche Aufsichtsbefugnisse gegenüber Energielieferanten erhalten. Auch wird es weitere Transparenzvorgaben im Hinblick auf die Preiszusammensetzung der Ersatzversorgung geben.
Zur Entlastung der Stromkunden wird die Abschaffung der EEG-Umlage auf Juli 2022 vorgezogen. Stromanbieter sollen die dadurch resultierende Entlastung in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben müssen. Die Preissteigerungen beim Strom können für die Stromkunden dadurch aber lediglich etwas abgedämpft werden.
Im Zeitraum von Oktober 2021 bis Anfang Februar 2022 haben neun kleinere Stromlieferanten Insolvenz angemeldet und zwölf Stromlieferanten ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Zur genauen Anzahl der bundesweit betroffenen Kundinnen und Kunden liegen keine Daten vor. Allein durch die Geschäftseinstellung eines größeren Stromlieferanten dürften rund 800.000 und eines größeren Gaslieferanten rund 300.000 Menschen betroffen sein.