Digitalisierung der Baugenehmigungsverfahren auf dem Vormarsch
Kommunale Verwaltungen werden zunehmend digital. Einer der wichtigsten und komplexesten Bereiche sind die Baugenehmigungsverfahren. „Das Ziel lautet volldigitale Annahme und Bearbeitung aller baurechtlicher Verfahren inklusive digitaler Genehmigung“, berichtet Lothar Köstel, Leiter des Baden-Badener Fachgebiets Bauordnung, den Mitgliedern des Arbeitskreises Landesentwicklung und Wohnen der CDU-Landtagsfraktion bei ihrer Klausurtagung in der Geroldsauer Mühle.
Hintergrund ist eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2019, die die Baurechtsbehörden verpflichtet, ab dem 01.01.2022 digitale Bauanträge annehmen und bearbeiten zu können. „Nur zwei Dokumente werden tatsächlich noch ausgedruckt: Die Zustellung der Nachbarbeteiligung sowie der Rote Punkt zur erteilten Baufreigabe“, berichtet Lothar Köstel. „Alles andere läuft digital, wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Die sehr anspruchsvolle Umstellung haben wir vor allem der guten Mitarbeit und der hohen Akzeptanz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie dem Know-how der städtischen IT-Spezialisten zu verdanken. Allen Behörden, die diesen Weg noch vor sich haben, möchte ich Mut machen: Es ist zu schaffen!“
Besonders erfreut zeigten sich die Teilnehmer des Arbeitskreises von den Vorteilen für die Bürger. Bauherren und Entwurfsverfasser können sich online per QR-Code über den aktuellen Verfahrensstand der Baugenehmigungsverfahren informieren. Die Nachbarn brauchen für die Einsicht in die Baupläne im Rahmen der Angrenzeranhörung keinen Termin mehr auf dem Rathaus, sondern können dies bequem von Zuhause aus machen. Akten sind jederzeit digital verfügbar. Der mittelbadische Landtagsabgeordnete und Wohnungsbauexperte Tobias Wald (CDU) äußerte sein Bedauern darüber, dass viele andere Baurechtsbehörden diesen Service noch nicht so umfassend umgesetzt hätten.
Sobald die Umstellung komplett vollzogen und die Probleme mit den Antragseingängen über Service-BW gelöst seien, sei der Mehrwert sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Bürger bei jeder Baurechtsbehörde spürbar, so das Fazit von Lothar Köstel. „Wir sparen Zeit und straffen die Abläufe. Vor allem die Beteiligung der Fachämter und die Nachbarbeteiligung sind durch die Digitalisierung schneller und einfacher geworden. Wir sparen Unmengen an Papier. Noch dazu ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser geworden, da Arbeiten auch im Home-Office erledigt werden können, das war vorher nicht möglich." Grundvoraussetzung für die Umstellung von der analogen Papierwelt auf die volldigitale Arbeitswelt seien Laptops für Termine und Besprechungen, große Bildschirme und digitale Signierkarten.
„Wenn die Baugenehmigungsverfahren voll digital laufen, machen wir uns an die zweite Mammutaufgabe: Die Digitalisierung des Bauarchivs“, kündigt Köstel an. „Allein in Baden-Baden liegen über 25.000 Bauakten, bei denen alte Baupläne zunächst aufwändig restauriert und anschließend digitalisiert werden müssen. Wenn alles gut läuft, starten wir damit im nächsten Jahr."
„Die Digitalisierung der kommunalen Verwaltungen ist ein echtes Zukunftsthema“, macht der Landtagsabgeordnete Tobias Wald deutlich. „Durch die Digitalisierung können wir die Mitarbeiter entlasten und ihnen Freiräume für andere Aufgaben verschaffen, Prozesse straffen, Zeit sparen. Wichtig ist aber, dass wir die Prozesse und Programme bestmöglich vereinheitlichen. Und natürlich braucht es eine gute Vernetzung mit den Landesbehörden. Darum ist es mir wichtig, ganz genau auf dem Laufenden zu sein. Nur im Gespräch mit Menschen aus der Praxis erfahren wir, wo es hakt und an welchen politischen Stellschrauben wir vielleicht doch nochmal drehen müssen.“
Direkt im Anschluss fand ein Treffen der Mitglieder des Arbeitskreises mit Architekten und Bauträgern aus Mittelbaden statt. Thematisiert wurden verschiedene Herausforderungen aus der Praxis, unter anderem der Brandschutz in Bestandsgebäuden, das Baurecht und die Dauer von Genehmigungsverfahren. Neben der Inflation, dem Materialmangel sowie der Verteuerung von Energie und Rohstoffen bereitet vor allem der Fachkräftemangel große Sorgen. „Viele Handwerker gehen in den nächsten Jahren in Rente, 40 Prozent der Lehrstellen sind unbesetzt. Wir sitzen auf einem Pulverfass“, schildert Marco Haungs, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Familienheim Rastatt, die Situation. „Ein Ruck muss durch die Gesellschaft gehen. Politisch und gesellschaftlich müssen Anreize geschaffen werden, um das Handwerk wieder attraktiver zu machen.“
Lob gab es für das am 1. Juni angelaufene Landeswohnraumförderprogramm. „Das beste, flexibelste, modernste Förderprogramm deutschlandweit“, berichtet Tobias Wald von den Rückmeldungen aus der Bauwirtschaft. Trotz aller Schwierigkeiten gelte nach wie vor das Motto: „Jede Wohnung zählt“.